Die Augenheilkunde beim Kleintier bietet weitreichende Möglichkeiten für die Teletiermedizin. Viele Pathologien sind visuell erkennbar und/oder per Foto zu dokumentieren. Intensive Beratungsgespräche können per Teletiermedizin geführt werden, was zu einer Entlastung der Praxisinhaber*innen im Praxisalltag beitragen kann.
Häufige Erkrankungen
Viele Patienten werden mit klassischen ophthalmologischen Krankheitsbildern vorgestellt. Oberflächliche und tiefe Hornhautulcera sind häufige Diagnosen. Besonders ein SCCED (Spontaneous chronic corneal epithelial defect) bei brachycephalen Hunderassen und die chronische Herpeskeratitis mit Ulzerationen bei der Katze erfordern ein spezielles Management.
Verlaufskontrollen von z.B. der felinen Irismelanose oder der Keratitis superficialis chronica (KSC/”Schäferhundkeratitis”) sind bei einer guten Fotodokumentation durch die Tierhaltenden auch gut teletiermedizinisch möglich.
In welchen Fällen sind Spezialist*innen erforderlich?
Stellen sich bekannte Krankheitsbilder nicht klassisch dar, hilft manchmal der Blick der Spezialistinnen zur Diagnosefindung. Auch ist jeder Heilungsverlauf individuell. Hier entstehen bei Haustierärzt*innen manchmal Unsicherheiten, auch wenn die eingeleitete Therapie richtig war und die Spezialist*innen können die Haustierärzt*innen darin bestärken, die Therapie mit ein wenig Geduld weiter fortzusetzen oder geben hilfreiche Tipps zur Optimierung der Therapie.
Warum es sinnvoll ist, als Praxisinhaber*in mit Spezialist*innen zu kooperieren?
Das Auge ist ein spezielles Organ und verzeiht unter Umständen keine Fehler. Dass die Haustierärzt*innen hier eventuell an die Grenze der fachlichen Kompetenzen kommen, ist nur menschlich. In vielen Fällen gelingt es durch den Support auf Augenheilkunde spezialisierter Kolleg*innen, den Patienten weiter vor Ort zu betreuen, ohne dass eine Überweisung zu nächstgelegenen Augenspezialist*innen notwendig wird.
Beispiele, wie gut Telemedizin in der Ophthalmologie funktioniert, wenn gute Fotos gemacht werden. Bilder per Klick vergrößern.
Wann eignen sich ophthalmologische Fälle für die Teletiermedizin?
Sobald die Augenveränderungen auf einem Foto ggf. auch durch die Patientenbesitzer*innen gut dokumentiert werden können, ist oft eine telemedizinische Einschätzung möglich. Auch hilft eine sehr gründliche Anamnese unter Berücksichtigung von Rasse und Alter des Patienten, die möglichen Differentialdiagnosen einzugrenzen. Nicht selten ist die Compliance der Besitzer*innen therapieentscheidend. Hier bedarf es eines ausführlichen Besitzer*innen-Gesprächs, um die Wichtigkeit der Maßnahmen hinreichend zu erläutern (z.B. stündliche Gabe von Augentropfen beim ”Melting Ulcer” bei Tag und auch bei Nacht). Dies ist ungemein wichtig, aber auch sehr zeitaufwendig und die Liquidation für diesen Aufwand ist in der Praxis oft schwierig. Hier kann die Teletiermedizin die Haustierärzt*innen in ihrem Praxisalltag entlasten und zu besseren Therapieerfolgen beitragen. Zudem rückt ein Konzept wie die HaustierDocs den Wert von fachlicher Beratung weiter in den Fokus von Tierärzt*innen und Patientenbesitzer*innen.
Was kann man per Teletiermedizin in der Ophthalmologie klären?
In der Ophthalmologie sehen wir eine große Bandbreite von physiologischen Normvarianten. Hier hilft oft die Erfahrung der Spezialist*innen, Pathologien von physiologischen Variationen zu unterscheiden. Auch sind Heilungsverläufe, v.a. von Hornhauterosionen und -ulzera unter Umständen sehr verschieden und daher für die weniger geübten Kolleg*innen manchmal schwer einzuschätzen. Gerade beim Auftreten von deutlichem Granulationsgewebe während des Heilungsprozesses entstehen bei Besitzer*innen und Haustierärzt*innen Unsicherheiten. Hier können die Spezialist*innen durch eine Bestätigung der Maßnahmen oft die nötige Sicherheit vermitteln.
Weitere Fotobeispiele aus der Telemedizin in der Ophthalmologie. Bilder per Klick vergrößern.
Vorteile der Teletiermedizin in der Ophthalmologie: An welchen Stellen spart man Zeit und Geld durch Teletiermedizin gegenüber dem üblichen Weg?
Einige Diagnosen in der Ophthalmologie sind durch erfahrene Spezialist*innen auch ohne große Apparatemedizin erkennbar. Ähnlich wie in der Radiologie hat man in der Ophthalmologie bei guter Fotodokumentation eine direkte Sicht auf die pathologischen Veränderungen. Unter Berücksichtigung der Anamnese ist in vielen Fällen die Benennung einer Verdachtsdiagnose auch ohne körperliche Untersuchung möglich. Gelingt dies nicht, so kann zumindest das Problem schon weiter eingegrenzt werden, bevor der Patient zu einer ophthalmologischen Untersuchung in der Praxis vorgestellt werden muss. Dies spart Ressourcen auf beiden Seiten.
Viele Besitzer*innen freuen sich über eine Alternative zum Besuch in der Tierarztpraxis. Sei es, weil z.B. ihre Mobilität eingeschränkt ist oder aber weil ihr Tier sich beim Tierarztbesuch meist ängstlich verhält und sie diesen Stress nach Möglichkeit vermeiden wollen. Hier kann die Notwendigkeit einer Vorstellung in der Praxis auf das Notwendigste beschränkt werden.
Fallbeispiel aus der Praxis
Telemedizinisch vorgestellt wurde ein 10-jähriger kastrierter Kater, EKH. Der Besitzerin waren im Laufe der letzten Wochen v.a. auf Fotos Veränderungen in beiden Augen aufgefallen. Sie nahm daher Kontakt zu einer Augenspezialistin in ihrer Stadt auf. Diese hatte aber sobald keine Kapazitäten frei. Außerdem zeigt sich der Kater immer sehr ängstlich beim Tierarztbesuch und sie nahm das von der Kollegin geäußerte Angebot einer Ersteinschätzung per Telemedizin dankend an.
Auf einem ersten von der Besitzerin bereitgestellten Foto waren die Veränderungen in beiden Augen nur zu erahnen, sodass sie unter einer kurzen Anleitung gebeten wurde, detaillierte Aufnahmen von beiden Augen zur Verfügung zu stellen.
Auf diesen war es möglich, eine Ersteinschätzung vorzunehmen und eine ausführliche Beratung der Besitzerin zur diagnostizierten felinen Irismelanose durchzuführen. Die Veränderungen konnten sehr sicher als benigne (gutartig) eingeschätzt werden, was die Besitzerin sehr beruhigte.
Da es sich i.d.R. um eine progressive Veränderung handelt, wurde der Besitzerin eine Kontrolle in ca. 6 Monaten angeraten, welche wiederum bei Bereitstellung von Fotos von ausreichender Qualität telemedizinisch erfolgen kann.
Die Besitzerin wurde über den möglichen Verlauf aufgeklärt und es wurde ihr in Aussicht gestellt, dass ab einem gewissen Punkt der Progression eine Vorstellung in einer ophthalmologisch spezialisierten Tierarztpraxis nötig und unumgänglich sein wird. Die Besitzerin fand es aber sehr erfreulich, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Begleitung telemedizinisch erfolgen kann.
Über die Autorin
Gabriele Jawinski hat in Gießen Tiermedizin studiert und 2002 approbiert.
Nach dem Studium arbeitete sie zuerst in einer größeren Tierklinik in Aachen. Danach ging sie zurück nach Gießen und absolvierte, nach einem kurzen Ausflug in die Industrie, an der Universität ihre Ausbildungszeit zur Zusatzbezeichnung Augenheilkunde beim Kleintier, welche sie im Jahr 2007 erfolgreich abschloss. Nach diversen Stationen mit ophthalmologischem Schwerpunkt machte sie sich im Jahr 2010 mit einer ophthalmologischen Praxis in Duisburg selbstständig. Im Jahr 2013 zog die Praxis nach Kevelaer um. In den folgenden Jahren gewährleistete sie eine umfassende Betreuung von v.a. ophthalmologischen Patienten, sowohl diagnostisch als auch chirurgisch. In dieser Zeit hatte sie die Weiterbildungsermächtigung für Augenheilkunde beim Kleintier inne und bildete ihre Assistenzärzte auf dem Gebiet der Augenheilkunde aus.
Parallel arbeitete sie viele Jahre als freiberufliche Produktmanagerin im Bereich Ophthalmologie für die Firma Eickemeyer, was auch viele Seminartätigkeiten in Diagnostik und Chirurgie und den Besuch zahlreicher internationaler Kongresse beinhaltete.
Im Jahr 2021 verkaufte sie die Praxis aus persönlichen Gründen und widmet sich seither der Teletiermedizin, um ihr Fachwissen an Kolleginnen und Patientenbesitzerinnen weitergeben zu können.
Sie ist Mutter von drei Kindern und mit einem Fachtierarzt für Radiologie und andere bildgebende Verfahren verheiratet. Zur Familie gehören zwei Border-Collie, eine Hannoveraner-Stute, ein deutsches Reitpony und ein Mini-Shetty.